Das Nagel-Patella-Syndrom

Das sogenannte Nagel-Patella-Syndrom (NPS) ist eine seltene Erbkrankheit des Bindegewebes, die nach den charakteristischen Merkmalen benannt ist. Die Mutation des Gens LMX1B tritt weltweit bei etwa einem von 50.000 Neugeborenen auf und betrifft dabei Jungen wie Mädchen gleichermaßen. Meist wird die Krankheit bereits im Kindesalter diagnostiziert.

Symptome und Auswirkungen

Charakteristisch für das Nagel-Patella-Syndrom, das eine Unterform der Osteoonychodysplasie ist, sind die fehlenden oder schlecht entwickelten Nägel und die fehlenden oder viel zu kleinen Kniescheiben (Patella = Kniescheibe).

Die Veränderung an den Nägeln betrifft meist die Daumen und Zeigefinger, aber auch andere oder gar alle Finger können betroffen sein. An den Fußnägeln tritt die Anomalie im Vergleich seltener auf.

Zusätzlich zu Nägeln und Kniescheiben sind auch andere Symptome typisch, die jedoch in Ihrer Ausprägung von Patient zu Patient unterschiedlich sein können. Veränderungen am Skelett, wie etwa an den Ellenbogen und Beckenknochen treten beim Nagel-Patella Syndrom häufig auf.

Patienten mit dieser Krankheit sind in ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit jedoch meist wenig beeinträchtigt und ihre Lebenserwartung ist normal.

Bei anderen Formen der Osteoonychodysplasie treten jedoch zusätzlich organische Störungen wie Niereninsuffizienz (bei 50% der Patienten), Herzrhythmusstörungen oder Glaukome (Grüner Star) auf, die je nach Ausprägung zu schweren Beeinträchtigungen der Betroffenen führen kann.

Diagnose

Um das Nagel-Patella-Syndrom richtig und erfolgreich zu behandeln, beziehungsweise die Symptome so weit es geht unter Kontrolle zu halten, sollte immer ein Arzt aufgesucht werden.

Bereits im Mutterleib kann mittels Pränataldiagnostik eine Gen-Mutationsanalyse durchgeführt werden. Die empfiehlt sich vor allem dann, wenn bereits ein Elternteil von dem Gendefekt betroffen ist. Meist wird das Nagel-Patella-Syndrom bereits im frühen Kindesalter erkannt.

Die Diagnose wird zunächst vom Arzt vermutet und dann gegebenenfalls noch durch eine Röntgenaufnahme der Knochen und einer Nierenbiopsie, bei der Nierengewebe entnommen und untersucht wird, bestätigt. Zusätzlich können noch genetische Untersuchungen durchgeführt werden.

Behandlung des Nagel-Patella-Syndroms

Leider gibt es keine spezifische Therapie, da die Prognose des Patienten immer von der individuellen Ausprägung abhängt.

Das Nagel-Patella-Syndrom, bei dem lediglich die Nägel und die Knochen deformiert sind, wirkt sich nicht auf die Lebenserwartung aus.

Allerdings können die deformierten Fingernägel bei einigen Betroffenen zu psychischen Störungen führen, wenn diese sich aus Scham aus der Gesellschaft zurückziehen. Der Alltag der Patienten ist dann stark beeinträchtigt.

Sind jedoch noch innere Organe betroffen ist das Risiko für Komplikationen stark erhöht. Etwa 50% der Patienten leiden unter Nierenschwäche, die im weiteren Verlauf der Krankheit oftmals eine Dialyse erforderlich macht. Bei einem drohenden Nierenversagen hilft letztendlich dann nur noch eine Nierentransplantation.

Ein Glaukom (Grüner Star) lässt sich je nach Art und Stärke nur schwer oder gar nicht behandeln und kann, sofern der Augeninnendruck nicht gesenkt werden kann, zu einer späteren Erblindung führen. Es gibt aber Tropfen, Tabletten oder eventuell auch eine Laserbehandlung, die helfen können oder die Erkrankung wenigstens eindämmen können.

Da auch Herzrhythmusstörungen mit dem Nagel-Patella-Syndrom in Zusammenhang stehen können, sollte ein Kardiologe hinzugezogen werden, um langfristige Herzerkrankungen abzuwenden.

Bei Veränderungen am Skelett und an den Gelenken, wie bspw. bei Skoliosen, Überbeinen, Klumpfüßen oder fehlgebildeten Ellenbogen ist eine orthopädische Behandlung erforderlich.

Beim Nagel-Patella-Syndrom sind regelmäßige Kontrollen durch entsprechende Fachärzte dringend angeraten.

Behandlungsmöglichkeiten für die Nägel

Je nach Art der vorhandenen Fehlbildungen können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Denn kleine, kaum vorhandene oder fehlende Nägel sind besonders an den Händen ein optisches Problem, durch das sich die Patienten sehr unwohl fühlen können.

Intensive Pflege

Bei sehr kleinen Nägeln ist eine regelmäßige, intensive Pflege ein guter Anfang, um das optische Erscheinungsbild der Nägel zu verbessern. Produkte, die die Nägel stärken, sind in Apotheken erhältlich. Sie sollten aber besser nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt angewendet werden.

Optische Rekonstruktion durch Kunstnägel

Es gibt die Möglichkeit, die sehr kurze Nägel optisch zu rekonstruieren. Das muss in einem professionellen Nagelstudio, bestenfalls mit langjähriger Erfahrung, erfolgen. Da es auch viele “schwarze Schafe” unter den Nageldesigner/innen gibt, sind ein ausgiebiges Beratungsgespräch und ein Probenagel immens wichtig.

Ein Kunstnagel kann aus Acryl, aus Gel oder aus Fiberglas modelliert werden. Viele Nagelstudios haben sich auf eine Methode spezialisiert. Um herauszufinden, welches Material für die erkrankten Nägel am besten ist, sollte man sich ausführlich informieren und beraten lassen.

In jedem Fall werden die Nägel durch den Kunststoffbezug gestärkt und optimal geschützt, so dass sie die Chance haben, langfristig zu wachsen. Diese „Therapie“ kann zwar einige Monate dauern, da Nägel nicht sehr schnell wachsen, aber die erfolge können sich bei vielen Betroffenen sehen lassen.

Bei komplett fehlenden Nägeln gibt es ebenfalls spezielle Produkte, die ähnlich wie bei der Modellage in einem Nagelstudio verwendet werden. Der Unterschied hierbei liegt allerdings darin, dass dieses Material auch auf der puren Haut hält.

Nagelmodellagen helfen den Betroffenen, die Symptome der Erbkrankheit zu verbergen und sich damit im Alltag wesentlich wohler zu fühlen.

Erfahrungsbericht Nagel-Patella-Syndrom

In folgendem Text finden Sie die die persönlichen Erfahrungen und Auswirkungen des Nagel-Patella-Syndroms von einer betroffenen Person.

Das Krankheitsbild und die Diagnostik

“Die Krankheit ist zu Beginn eine Spontanmutation. Die Chance es weiter zu vererben beträgt 50/50, wenn der Partner des Betroffenen gesund ist. Auffällig, aber eines der kleineren und wenig störenden Merkmale sind die Fingernägel. Die meisten Betroffenen haben durch das dreieckige Nagelbett brüchige Nägel.

Meistens sind die Daumen mit “so ziemlich gar keinen” Fingernägeln am stärksten betroffen, bis zum kleinen Finger werden die Nägel meist immer normaler. Zehnägel sind in der Regel nicht so “schlimm” betroffen, oft sogar völlig normal. Bei der Krankheit gibt es jedoch auch ganz viele andere typische Merkmale: Nicht störende oder nur selten behandlungsbedürftig sind zum Beispiel Ratsecken oder der Stoffwechsel.

Viele Betroffene sind sehr schlank. Die Kniescheibe ist bei vielen in etwa so groß wie eine Weintraube und versetzt. Bei einigen fehlt die Patella ganz. Bei einigen Patienten fallen unterschiedlich herausstechende Beckenhörner auf. Manche haben fehlgebildete Hände und/oder Plattfüße aber auch Rückenprobleme. Es ist auch bekannt, dass viele unter Zahnprobleme leiden und wenige an einem Glaukom erkranken, Schwierigkeiten zu hören haben oder Nierenschäden bekommen.

Wie man merkt, ist es bei jedem Betroffenen anders, sodass es nicht DAS NPS gibt. Im Normalfall gibt man die Behinderung schwächer weiter, als man selbst betroffen ist. Selbst da bestätigen Ausnahmen die Regel. Auch die Psyche ist bei diesem Gendefekt zu beachten.

Da sich die Krankheit unterschiedlich ausprägt, kann man nicht sagen, dass Betroffene kaum Schwierigkeiten im Alltag haben.

Vielen ist es zum Glück möglich, ein mehr oder weniger normales Leben zu führen, genauso viele Menschen erleiden das ganze Leben lang schwere Operationen, Medikamenteneinnahme und Therapien. Einige, zum Glück wenige, haben neben den Operationen, Medikamenten und Therapien nicht einmal die Möglichkeit sich eigenständig fortzubewegen oder sich das Essen selbst zuzubereiten, geschweige denn klein zu schneiden.

Meine persönliche Erfahrung

Ich bin weiblich und 18 Jahre alt. Ich bin in der Familie die sechste von inzwischen acht mit der Erkrankung. Jede/r vor mir bekam die Diagnose, aber erst mit meiner Geburt (wobei ich da auch schon ein Jahr alt war) da die Krankheit nur minimale Auswirkungen bei den anderen hatte. Eine hat sogar erfolgreich viele Jahre rhythmische Sportgymnastik betrieben. Ich bekam die Pflegestufe zwei, obwohl man als Kleinkind bekanntlich sowieso “pflegebedürftig” ist und die Kasse anders rechnet. Meine erste OP, eine Sehnenverlängerung der rechten Achillessehne, war mit zwei Monaten.

Bilder der Krankheit

Nagel Patella Syndrom – Betroffene Hände und Füße
Nagel Patella Syndrom betroffene Hände und Füße

Nagel Patella Syndrom Fuß nach Operation
Nagel Patella Syndrom Fuß nach Operation

Nagel Patella Syndrom Fuß

Ich hatte rechts einen angeborenen verdrehten Klump – und Plattfuß, mein linker Fuß ist ein Spitzfuß mit ebenfalls zu kurzer Achillessehne. Deshalb bin ich mit orthopädischen Schuhen, Orthesen und Schienen groß geworden. Meine Kniescheiben haben die Größe von Weintrauben und sind versetzt. Deshalb, und wegen der verkürzten Sehnen, kann ich meine Beine nicht gerade ausstrecken (Streckhemmung der Beine ca. bei 165 Grad). Es folgte eine Korrektur-OP mit 4 Jahren, durch die ich seitdem im rechten Schienbein keine Muskeln mehr habe. Das macht mein Bein zum Chickenleg, da das Schienbein eben sehr viel dünner als der Oberschenkel ist. Ich hatte Schrauben, die aus dem Fuß rausgeschaut haben bekommen, die nach ca. einem halben Jahr wieder rausgenommen wurden.

Meine Beckenknochen sind recht ausgeprägt und ich habe einen sehr schlanken Körperbau aber eine ebenfalls vererbte Schilddrüsenunterfunktion (ich habe alle Erbkrankheiten, die in unserer Familie möglich sind erwischt). Die Beckenhörner und die versetzte Kniescheibe sorgen für Schmerzen beim Bücken.

Meine Schulterblätter sind deformiert, sodass ich meine Arme nicht nach hinten bewegen kann. Meine Arme sind aber auch ansonsten durch die 90 Grad Streckhemmung aufgrund verlängerter Speichen eingeschränkt. Meine Hände sind ebenfalls deformiert was der Grund dafür ist, dass ich sehr grobmotorisch bin und schlecht greifen kann.

Meine Fingernägel sind das kleinste Problem. Ich habe pro Finger zwei klitzekleine Nägel, die in meinen 18 1/2 Lebensjahren noch nicht einmal geschnitten oder gefeilt werden mussten. In dem Fall sehe ich mich als Evolutionsfortschritt. Nägel sind zum Schutz da, ich habe aber nicht mal etwas, was einen Schutz benötigt. Meine Zehennägel sind klein und brüchig, es entstehen regelmäßig Entzündungen.

Nach den Erfahrungen der ersten beiden großen Operationen hatte ich große Angst vor Ärzten, nur vor meiner Physiotherapeutin, bei der ich seit meinem 5. Lebensjahr in Therapie bin, nicht. Trotzdem ließ ich etliche andere Therapien, starke Medikamente wie Morphium (nach den OPs intravenös zum Selbstspritzen) oder in besseren Zeiten 3x täglich Ibu800 und ganz viel anderes über mich ergehen.

Ich hielt ich die Schmerzen nicht aus und ließ mich mit 15 Jahren nochmal operieren. Mir wurde Schmerzfreiheit versprochen, jedoch würde mein rechter Fuß, der über die Jahre noch zum Sichel-, Klump-, Plattfuß mutierte, versteift sein und das rechte Bein wäre noch ein Stück kürzer als das linke Bein. Vorher hatte ich einen Beinlängenunterschied von 2 cm, jetzt sind es 5 cm. (Verlängerung ist geplant). Der Schuhgrößenunterschied (re: 32, li: 38) ist geblieben.

Ich bekam 5 ca. 11 cm lange Schrauben in den Fuß und Nerven, die knapp drei Jahre später noch beschädigt sind, wurden verlegt. Mir wurden etliche Knochen durchgeschnitten, anders angeordnet und verschoben, sodass der Sichelfuß korrigiert wurde. Problem: man darf Narben nicht noch einmal aufschneiden weswegen Millimeter neben den alten Narben geschnitten wurde. Durch die schlechte Wund- und Knochenheilung konnte ich erst nach einem Dreivierteljahr wieder laufen lernen, obwohl mir 6 Wochen versprochen wurden.

Auf den Rollstuhl mit E-Motion bin ich trotzdem noch angewiesen, da ich nach wenigen Metern starke Atemnot und Schmerzen bekomme. Ich habe auch Unterarmgehstützen als Unterstützung, die belasten jedoch meine kraftlosen Arme. Zwei Schrauben wurden nach einem Jahr wieder entnommen, da ich sie bei der Lymphdrainage und beim Tragen der Schuhe gespürt habe was ebenfalls Schmerzen bereitet hat.

Durch die Reha zwischendurch habe ich den Kraftsport für mich entdeckt, der mir jedoch nach wie vor mehr psychisch hilft.

Durch eine stark entzündete Zyste musste ich neben der Schmerz-Medikamente Antibiotika nehmen, seitdem habe ich Probleme mit den Nieren. Die Ärzte gehen davon aus, dass ich in wenigen Jahren auch an einer Niereninsuffizienz leiden werde.

Außerdem habe ich geerbte Migräne, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck und trotz normaler Ernährung und zusätzlicher Medikamente seit Anfang des Jahres einen Mangel an Calcium (führt zu regelmäßigen Krämpfen), Eisen, Vitamin D und Magnesium. Außerdem habe ich Ratsecken und Zahnprobleme.

In meiner Schulzeit hatte ich pro Schuljahr mindestens 30 Fehltage und konnte deshalb teilweise nicht bewertet werden. 2015 habe ich eine Vollzeitausbildung zur Kauffrau für Büromanagement in einer rehabilitativen Einrichtung angefangen. Zusätzlich bin ich unter anderem aus privaten Gründen einmal wöchentlich in Psychotherapie. Zweimal die Woche habe ich Akupunktur, dreimal Krankengymnastik und ca. zwei andere Arzttermine.

Ich kann mich keine drei Tage alleine versorgen und bin in jedem Fall auf Hilfe angewiesen. Ich werde als sehr reif für mein Alter (18 Jahre) geschätzt und bin aufgeweckt auf eine ruhige und mitdenkende Art und Weise. Mein Humor ist sehr schwarz.

Ich habe neben dem stark ausgeprägten NPS noch 8 andere chronische Krankheiten, die ich aber mit verschiedenen Methoden ausgleiche. Ich verstecke mich nicht mehr vor der Gesellschaft, auch wenn ich großen Respekt vor Menschen habe.

Ich kenne ungefähr 30 Personen mit dieser Krankheit. Die meisten von ihnen hat es zum Glück nur leicht getroffen und sie können normal leben. Einige mit mehr Schmerzen als andere, aber keiner wie der andere. Die Krankheit ist selten, unberechenbar und unheilbar. In meinem Fall findet ein Verschlimmerungsprozess statt, auch das muss jedoch nicht sein. Es entstehen auch viele Begleiterkrankungen.

Weiterführende Links

Nicole Kiefer: Nagel-Partella-Syndrom Erfahrungsbericht
National Center for Biotechnology Information, U.S. National Library of Medicine: Nail-patella syndrome

Nägel Hand und Fuß